BAYERN -
EIN LAND, WIE UNSER EIGENES
Bayern den ungarischen Schülern näher zu bringen, scheint keine
schwere Aufgabe zu sein. Seine Größe (Fläche und Bewohnerzahl), die zentrale
Lage in Mitteleuropa, die Donau als Verbindung, das “Bayrische Meer”, die
abwechslungsreichen Landschaften (vom Flachland bis zu Hochgebirgen), die
traditionell große Rolle der Landwirtschaft, die unaufhaltsamen Änderungen
in der Wirtschaftsstruktur und das spürbare Weiterleben der Volksbräuche
sind Übereinstimmungen, die den Zugang und das Verständnis besonders leicht
machen.
Außerdem sind die traditionell guten Beziehungen zwischen Ungarn und
dem Freistaat Bayern in unserem Land allgemein bekannt. Seither die Ungarn
in Europa erschienen und sich der westlichen Kultur anschließen wollten,
versuchen sie sich die Nähe und den Reichtum von Bayern mit allen möglichen
Mitteln zunutze zu machen. Die gemeinsamen politischen, wirtschaftlichen
und kulturellen Interessen haben unsere Völker seit dem 10. Jahrhundert
eng verbunden.
1. Stunde
Als Gymnasiallehrerin ging ich davon aus, dass meine SchülerInnen schon
über so viel Erlebtes, Gehörtes und Gelerntes verfügen, dass sie als Einstieg
zum Thema leicht eine Menge Ethnostereotypien finden können. (Unter den
Schülern gibt es einige, die mit den Nationalitätenschulen in Wetschesch
und Budapest an bayrischen Austauschprogrammen teilnahmen. Das Karinthy-Gymnasium
konnte selbst leider trotz mehrmaligen Versuchen keine festen Kontakte
mit bayrischen Gymnasien ausbauen.)
Die Stunde fängt mit einer kleinen Überraschung an: Die SchülerInnen
bekommen ein leeres Blatt, worauf sie alles aufzeichnen, was ihnen in 5
Minuten über das Land “BAYERN” einfällt. Ihre Assoziationen werden dann
auf einem großen Plakat nach dem Alphabet eingeordnet (wenn zuwenig Varianten
einlaufen, auch ergänzt) und im Klassenraum ausgehängt. Unter den Bemerkungen
können welche sicherlich zu den Ethnostereotypien gezählt werden. Daraus
ergibt sich die Aufgabe, den Inhalten dieser Vorstellungen nachzugehen,
und mit der Hilfe objektiver Tatsachen zu untersuchen, ob sie der Wirklichkeit
entsprechen oder lieber nur übertriebene und verblendete Vorurteile sind.
Die SchülerInnen müssen zu zweit ein Thema zum Referieren auswählen
und ihre außerschulische Arbeit über das Wochenende selbst organisieren
(Schulbibliothek, Internet, Goethe-Institut usw.). Als Hilfe können auch
“fertige” Probleme angeboten werden, wie z.B.:
-
- Ist Bayern ein Land der Bayern? (Was will der Fränkische Bund?)
-
- Die bayrische Wirtschaft (unter Berücksichtigung der Bierproduktion)
-
- “Ein Stück Bayern im Herzen von Budapest” – d.h. bayrisch essen und trinken?
-
- “Leben und leben lassen…“ (Ist Bayern konservativ?)
-
- “Die Wiege des Nationalsozialismus” – Eine bayrische Lösung?
-
- “In München ist jeder sechste Ausländer.” (Was heißt Ausländerfeindlichkeit?)
-
- Heimatvertriebene und andere Botschafter der ungarischen Kultur in Bayern
-
- Studenten aus Ungarn früher und jetzt (Von ins. 162 Kollegiaten 22 Ungarn)
-
- Regionale Zusammenarbeit im Rahmen des Alpen-Adria-Programms
-
- Bayrische Großfirmen in ungarischen Werbungen: Bayernwerk, Siemens
usw.
-
- Kein Leben ohne Fußball? (Sportfans ohne Grenzen)
-
- Das bayerische Zukunftsbild (“Offensive Zukunft Bayern”)
Und eine kleine Kostprobe zum Schluss: Wir lesen den fotokopierten
Text der BayernInfo, und vergleichen dann diese Informationen (teilweise
auch als Hausaufgabe) mit den entsprechenden ungarischen Angaben.
2. Stunde
Die nächste Stunde fängt damit an, dass wir im Computerraum die aufgrund
der BayernInfo zusammengestellten Fragen beantworten. Nachdem die Lösung
von den Schülern selbst korrigiert worden ist, werden die Informationen
mit den wichtigsten statistischen Daten des Bayern-Heftes ergänzt.
Darauf folgt eine interessante Entdeckungsreise mit der Hilfe
des Internets (“Kreuz und quer durch Bayern“). Die Aufgabe der SchülerInnen
ist, möglichst viele von den größten bayerischen Städten in der unten angegebenen
Reihenfolge zu “besuchen“, ihre Kennzeichen und Bedeutung zu bestimmen
und eventuelle ungarische Bezüge zu sammeln.
-
München (Zentrum, Isar, mittelalterliche
Altstadt, Frauenkirche, Residenz, Kunst, Viktualienmarkt, Theresienwiese,
Olympiapark, Zeitungen, Verlage, Universität, Forschung, Bavaria Filmstudio,
Karl Valentin – Mihály Munkácsy, ungarische Künstler und Wissenschaftler,
Juden usw.)
-
Nürnberg (Reichsstadt, Burg,
Meistersinger, Reichsparteitage, Nürnberger Prozesse, Zentrum der Kunst
und Wissenschaften, Nürnberger Ei, Christkindlmarkt – Albrecht Dürer, Willibald
Pirkheimer, Bürgermeister von Buda usw.)
-
Augsburg (Freie Reichsstadt, Rathaus,
Fuggerei, Schwaben, Hans Holbein, MAN-Werke, Bert Brecht – Ungarnschlacht
auf dem Lechfeld, Dominikaner usw.)
-
Regensburg (erste Hauptstadt Bayerns,
Ewiger Reichstag, Alte Kapelle, Domviertel, Bischofshof, Kepler-Haus, Strudelrundfahrt
– Karmeliten, der Regenspurgischer Herold, Christian Hoburg usw.)
-
Würzburg (Grab am Main, Bischofsstadt,
Heinrich von Kleist, Conrad Röntgen, Universitäts-, Industrie und Hafenstadt,
Frankenwein, Dom, Marienkapelle – ungarische Handwerker, 30-jähriger Krieg
usw.)
-
Bayreuth (markgräfliche Residenzstadt,
Festspielhaus, Wagner, Jean Paul, Alfred Rosenberg, Opernhaus, Schloss
– Franz Liszt, ungarische Musiker usw.)
-
Passau (Passauer Bischöfe, Dom, Grenzstadt,
Inn-Donau-Ilz, Brückenfunktion, Europastadt, Nibelungenlied, Veste Oberhaus,
Anfänge des Christentums – die ungarische Königin Gisella, Pilgrim usw.)
Interessante Seiten werden nach der Stunde abgedruckt und mit anderen
Materialien (Ansichtskarten, literarische Texte, Fotos, Zeitungsausschnitte,
Prospekte) zu einem großen Städte-Tableau oder einer Bayern-Chronik zusammengestellt,
gleicherweise sind die Ungarn-Bezüge auf einer Landkarte zu vermerken.
3-4. Stunde
Von den fertigen Arbeiten wird eine kleine Ausstellung veranstaltet. Die
SchülerInnen können alle Materialien gründlich durchstudieren, bevor sie
aufgerufen werden, über ihr gewähltes Thema zu referieren und die Fragen
der anderen zu beantworten. Haben alle Paare ihren Vortrag gehalten, wird
eine Diskussion im Klassenrahmen über die auffallendsten und wichtigsten
Probleme und über die Erfahrungen mit den Arbeitsmethoden geführt.
Zum Nachdenken können wir auch weiterführende Themen anbieten, die
zu einer Projektarbeit erweitert werden können, wie:
-
- Das Bayernbild in den ungarischen Medien (in Zeitungen, Fernsehen,
Geschichts- und Geographielehrbüchern)
-
- Wie werden “Bayern” in der ungarischen und deutschen Kunst
(schönen Literatur, Malerei, Film usw.)
dargestellt?
-
- Dorfmetropolis - Typische Merkmale der bayrischen Lebensweise
-
- Bayrisch-ungarische politische und wirtschaftliche Beziehungen
-
- Das bayrische Beispiel im Tourismus (Touristenparadies Nr. 1)
-
- Ungarische Institutionen in Bayern nach der 56-er Revolution (Verlage,
Free Europa, Emigrantenzeitungen usw.)
Zum Schluss können wir noch einmal unseren Ausgangspunkt, die Stereotypien
unter die Lupe nehmen, und untersuchen, welche Vorstellungen sich bewähren
und auf unserem Plakat behalten werden können.
5. Stunde
Der letzte Schritt kann eine schriftliche Arbeit sein. Entweder lassen
wir eine Schularbeit in Essayform schreiben, oder wir stellen aufgrund
der Ausstellung und der Vorträge (alleine bzw. mit der Hilfe einiger Schüler,
die an der Arbeit nicht teilnehmen konnten) Quizfragen zusammen.
Gabriella Frank